Im Kastanienbaum
10. Kapitel - Eine Bootsfahrt ist nicht lustig, eine Bootsfahrt ist nicht schön
Eine Bootsfahrt ist nicht lustig, eine Bootsfahrt ist nicht schön
Bald fing auch leider die Schule wieder an, doch nicht nur das: Das Schlimmste war der Wandertag, der auf Julia zukam. Wandertag hieß auf alle Fälle etwas mit den anderen Kindern machen zu müssen. Sie konnte sich weder in einer Kastanie verkriechen, noch Aufgaben alleine lösen. Doch ob sie wollte oder nicht: Morgen war Wandertag. Sie planten Tretboot fahren zu gehen. Morgen würden sie sich am Tegeler See treffen. Mitzubringen waren Lunchpaket, Schreibzeug (wozu auch immer) und wer wollte und konnte, nahm noch einem Fotoapparat mit sich. Julia wollte nicht, stattdessen hüpfte Jack morgens in ihren Rucksack hinein. Gemeinsam standen sie erst einmal eine Weile am U-Bahnhof, bis sie bemerkte, dass es der falsche Treffpunkt war, diesmal wollten sie sich ja direkt vor dem Bootsverleih treffen. Julia schlenderte die Straße hinunter, sie ließ sich Zeit, schließlich wollte sie gar nicht Boot fahren gehen. Die Bäume waren ihr Element, das Wasser eher weniger. Ihre Klassenlehrerin tadelte Julia zuerst, weil alle anderen wegen ihr warten musste, was gar nicht stimmte. Alle Gruppen, bis auf eine waren schon lange weit auf den See hinausgefahren. Die Gruppe, die noch übrig war, war ebenfalls zu spät gekommen.Dummerweise war es Lindas Gruppe.
Gemeinsam mit Linda und ihren zwei Freundinnen Laura und Lorena (Julia nannte sie zeitweilig auch die drei Ls) musste sie nun auf den See hinausfahren. Die drei Ls stöhnten erst auf, als sie dazu verdonnert wurden, aber ändern konnten sie es nicht. Sie fuhren weit auf den See hinaus, doch alle schwiegen, außer Linda, die ab und zu gehässige Kommentare von sich gab. Jack murmelte immer Beruhigendes aus Julias Rucksack, doch wirklich ruhig war sie nicht. „Ist doch bestimmt dumm, wenn man keine Freunde hat. Ich meine, man hat niemanden, dem man sich anvertrauen kann. Wie ist das denn so? Ich würde gern aus dem Mund einer Betroffenen hören.“, giftete Julia.
„Ich hab Freunde.“, rechtfertigte sich Julia. „Und warum fühlst du dich dann angesprochen?“, keifte Lorena Julia sagte nichts, sie hatte keine Luft sich mit den Dreien auseinanderzusetzen. „Wer ist den dein Freund?“, fragte Linda spöttisch. „Jac…“ Julia wollte schon beginnen alle Eichhörnchen aufzuzählen, aber sie besann sich eines Besseren. „Anaïs.“ „Oh ne, was ist denn das für ein Name? So will doch keiner heißen.“, entrüstete sich Loreana „Spanisch ist der Name.“, sagte Julia.
„Oh! Spanien! Ist ja klasse, ich war mal in Spanien!“, schaltete sich Laura positiv begeistert ein. Linda rümpfte ihre Nase und sagte: „Du warst mal in Spanien? Davon hast du ja nie was erzählt…“ „Warst du in Spanien?“, fragte Laura, gar nicht auf Linda hörend. Julia schüttelte ihren Kopf.„Oha, sprichst du etwa Spanisch? Ich wollte immer Spanisch sprechen. Ich will dann auch mal Spanisch lernen, wenn ich Erwachsen bin.“
Julia sagte schlicht und ergreifen: „Wir können uns nicht auf diese Art unterhalten.“ Lauras Augen leuchteten auf, sie schien noch begeisterter, doch bevor sie womöglich nach einer spanischen Brieffreundin fragen konnte, mischte sich Linda in das Gespräch ein um diesem ein Ende zu setzten: „Jetzt ist aber mal Schluss hier, Laura. Spanien ist doof, genauso doof wie diese Anaïs und Julia! Hast du gehört? Doooooooooooooof!“ Laura starrte betroffen auf das Wasser. Linda war sauer. Laura hatte versucht sich mit dem Feind zu solidarisieren. Julia wurde aber auch langsam sauer: „Nur weil du mich nicht leiden kannst, ist Spanien doch nicht gleich doof! Überhaupt, du kennst Anaïs doch gar nicht!“ „Na und? Jemand, der mit dir befreundet ist, kann ja nicht ganz richtig im Kopf sein.“, zischte Julia und trat nach Julia. Julia wich dem Tritt aus, das Boot begann unheimlich zu schwanken und beinahe wäre Julia ins Wasser gefallen. Linda kreischt erst auf und klammerte sich am Boot fest, doch dann fand sie Spaß daran. Sie trat und schlug weiter und auch Lorena setzte jetzt ein. Laura tat gar nichts. Julia wurde immer weiter zurückgedrängt. Irgendwann war hinter ihr kein Boot mehr. Sie versuchte sich nach vorne zu kämpfen, erwischte Lindas Haare und hielt sich daran fest. Linda schrie und jaulte und stieß Julia mit voller Wucht in den Bauch, so dass sie vollends das Gleichgewicht verlor. Mit einem Platsch landete sie im Wasser. Durch die Wucht des Aufpralls tauchte sie tief in das kalte Wasser ein. Spuckend und nach Luft ringend tauchte sie wieder auf.
Linda lachte hämisch und begann das Boot wegzusteuern. Plötzlich griff sie nach Julias Rucksack, der immer noch im Boot lag und warf ihn Julia hinterher. „Bis nachher Fischfutter!“, lachte sie und das Boot entfernte sich. Keuchend arbeitete Jack sich aus dem Rucksack hervor. Julia sah ihn gar nicht. Sie starrte nur den drei Ls hinterher. Wie konnten die nur so gemein sein?